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Jenseits traditioneller Rollenmodelle? Vereinbarkeit von Familie und Beruf für berufstätige Väter

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erfährt in jüngster Zeit eine Diskursivierung, bei derer sich der Fokus vermehrt nicht nur auf die Mütter, sondern auch auf berufstätige Väter richtet. Doch die Hürden für eine grössere Involviertheit in der Familienarbeit können gross sein.

Eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet nicht nur, dass Frauen der Balanceakt zwischen Familie und Erwerbsarbeit besser gelingen soll. Auch für berufstätige Väter ist diese relevant, obwohl das Jonglieren von Erwerbsarbeit und unbezahlter Care-Arbeit häufig noch als ‹Frauensache› verhandelt wird. Jüngste politische Debatten zeigen jedoch einen Diskurswandel auf.

Die Thematisierung der Vereinbarkeit erfährt zwar gerade einen Wandel, das Spannungsverhältnis besteht aber schon lange: Bereits im Jahr 1974 sang der US-amerikanische Singer-Songwriter Harry Chapin von einer Vater-Sohn-Beziehung, die nie wirklich zustande kommen konnte, denn «there were planes to catch, and bills to pay».

«When you comin' home dad?» «I don't know when But we'll get together then You know we'll have a good time then.»

Aus Harry Chapins Lied Cat’s in the Cradle (1974)

Das Lied erzählt die Geschichte von einem Vater, dem es aufgrund seiner Verpflichtungen als Versorger der Familie verwehrt blieb, wichtige Meilensteine seines Sohns mitzuerleben («He learned to walk while I was away»). Auf die Frage des Sohns, wann der Vater nach Hause kommen wird, vertröstet er ihn stets auf später und verspricht, dass sie dann aber eine schöne Zeit miteinander verbringen werden. Als der Vater Jahre später pensioniert wird und sein Sohn weggezogen ist, ist es nun der Vater, der von seinem Sohn hingehalten wird. Er bemerkt: «He'd grown up just like me / My boy was just like me.»

Das Gefangen-Sein zwischen beruflichen Verpflichtungen und der Sehnsucht, mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen, ist eine Thematik, die bis heute aktuell bleibt. Insbesondere Väter müssen hier zwischen tradierten Rollenmodellen und aktuellen Forderungen aus der Familienpolitik nach ‹aktiveren Vätern› und ‹mehr Familienengagement› navigieren. Wie dies auch im Lied beschrieben wird, reduziert sich die verbrachte Zeit mit den Kindern vielfach aufs Wochenende und die Zeit nach Feierabend, wo, im Sinne einer Kompensation für die ‹verlorene› Zeit, der Fokus auf Spass gelegt wird. Folglich erlebt das Kind den Vater selten bei der Tätigung alltäglicher Hausarbeiten, sondern stets in Ausnahmesituationen.

Mit dem Wissen, dass die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bei Frauen noch nicht zu Ende diskutiert ist, fokussiert der Beitrag in der aktuellen Ausgabe des Schweizerischen Archiv für Volkskunde auf die Erzählungen von Männern. Dabei wird der Diskurs über die Involviertheit von Männern in der Kinderbetreuung und der unbezahlten Hausarbeit in Bezug zur Erwerbsarbeit beleuchtet: Wie wird über diese Thematik gesprochen? Was wird problematisiert? Wie positionieren sich Personen, die an diesem Diskurs teilnehmen? Welche Lösungsansätze schlagen sie vor? Wer soll die Verantwortung für die Lösung des Problems übernehmen? Die Narrationsanalyse zeigt, dass Männern, insbesondere in der Privatwirtschaft, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert wird.

Ausführlicher wird dieses Thema in der aktuellen Ausgabe des SAVk 2023/1 behandelt. Unter dem Titel «Narrative der Vereinbarkeit. Väter im Spannungsfeld zwischen Familien- und Erwerbsarbeit» wird untersucht, mit welchen Hürden Väter in der Privatwirtschaft konfrontiert sind, wenn sie mehr unbezahlte Familienarbeit leisten möchten. Der Beitrag fokussiert auf die Narrative und Diskurse, die in Zusammenhang mit der aufgeworfenen Problematik häufig auftauchen, und zeigt so, wie Väter mit dem Wunsch nach grösserer Involviertheit in die Familie im beruflichen Umfeld in einen Konflikt geraten. Hier geht es zum Artikel.

Olivia Frigo-Charles: Narrative der Vereinbarkeit. Väter im Spannungsfeld zwischen Familien- und Erwerbsarbeit. In: Sabine Eggmann, Konrad J. Kuhn (Hg.): Schweizerisches Archiv für Volkskunde (SAVk) 119 (2023/1), S. 67-82.

Olivia Frigo-Charles

Olivia Frigo-Charles promoviert am Institut für Sozialanthropologie und Empirische Kulturwissenschaft der Universität Zürich mit einem ethnographischen Projekt zu deindustrialisierten Gemeinschaften in Südwales. Dabei geht sie der Frage nach, wie die Bewohner:innen mit dem sozialen Wandel und den aktuellen Krisen umgehen und wie das Konzept der Gemeinschaft in diesem Zusammenhang neu überdacht werden muss. Ausserdem ist sie wissenschaftliche Assistentin am Institut für Vielfalt und gesellschaftliche Teilhabe der ZHAW Soziale Arbeit.
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