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Von der Spalenvorstadt an die Allschwilerstrasse: Das Archiv der EKWS ist umgezogen

3. Juni 2024

Eine anspruchsvolle Riesenaufgabe ist geschafft! Archivleiterin Nicole Peduzzi hat zusammen mit ihrem Team in den letzten Monaten das Archiv der EKWS verzeichnet, verpackt und verschoben. Nun lagern die Glasplatten, Fotoalben, Negative, Partituren und Schallplatten, Karten, Filme, Schriften und vieles mehr im neu eingerichteten Archiv an der Allschwilerstrasse 10.

Ein Archiv und viele Sammlungen

Wie wird in der Schweiz gefrühstückt? Wo bringt der Storch die Kinder, und wo erwachsen sie einem Kohlkopf? Wie tragen die Frauen ihre Haare, und wie vollzieht man einen Wohnungswechsel? Mit einem Fragebogen à 150 Fragen im Gepäck erkundeten rund zehn Volkskundler:innen zwischen 1937 und 1942 das sogenannte Schweizer Volkstum. Das so zusammengetragene Material – Grundlage für den Atlas der Schweizerischen Volkskunde – gibt es noch: Es wurde im Rahmen des SNF-Forschungsprojekts «Partizipative Wissenspraktiken in analogen und digitalen Bildarchiven» restauriert, digitalisiert, erschlossen und ist nun als Teil des EKWS-Archivs analog sowie digital zugänglich. Wie vieles andere auch. Im Archiv finden sich verschiedene hochkarätige und einzigartige Sammlungen und Objekte, die das alltägliche Leben der vergangenen 175 Jahre in der Schweiz und über die Landesgrenzen hinweg dokumentieren. Nebst schriftlichem Material finden sich auch ca. 500'000 Fotografien, über 100 Filme und tausende Audioaufnahmen, die laufend bearbeitet, digitalisiert und einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Zwischenstation in der ehemaligen Gewerbeschule

Im September 1998 zog das Archiv ins Erdgeschoss der alten Gewerbeschule, in die Ausstellungsräume des ehemaligen Museums für Gestaltung: in wunderschöne, hohe Räume eines um die Wende zum 20. Jahrhundert errichteten Gebäudes. Schön war’s zwar an der Spalenvorstadt, aus archivalischer Sicht jedoch auch eine Herausforderung. Mit Klimageräten und gebastelten Abdichtungen wurden hier annehmbare Bedingungen geschaffen. «In den Sommermonaten mussten wir Pikettdienste übernehmen», erzählt Nicole Peduzzi mit einem Schmunzeln. «Stiegen Luftfeuchtigkeit oder Temperaturen, erhielten unsere Fotorestauratorin Regula Anklin und ich auf dem Smartphone eine Meldung. Dann musste jemand vor Ort die Türen öffnen, die Temperatur justieren oder das Klimagerät ausschalten, um die Raumbedingungen in Schach zu halten.»

Mit dem Archiv hatte auch das Seminar und die Bibliothek für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie (damals Seminar für Volkskunde) mittelfristig hier eine Heimat gefunden. Während Seminar und Bibliothek 2015 an den Rheinsprung 9/11 weiterzogen, blieb der grösste Teil des Archivs an der Spalenvorstadt. Dass diesem mittelfristig auch ein Umzug bevorstehen würde, war klar. Aber wo sollte das Archiv hinziehen? Die Anforderungen an den neuen Ort waren anspruchsvoll: Zentral war, dass die klimatischen Bedingungen stimmten und die Räume für Forscher:innen auch gut erreichbar sind. Fündig wurde die Universität Basel zusammen mit der EKWS schliesslich an der Allschwilerstrasse 10, im Gebäude des Verlags «Karger Publishers».

Aussenansicht der Allschwilerstrasse
Aussenansicht der Allschwilerstrasse ©Nicole Peduzzi

«So einen Umzug erlebst du nur einmal im Leben!»

Den Umzug eines so vielfältigen Archivs zu organisieren ist eine Herkulesaufgabe. «Wir hatten eine total heterogene Situation: Glas, Papier, dreidimensionale Objekte – für jede Sammlung musste in Absprache mit Regula Anklin eine eigene Umzugsstrategie erarbeitet werden», erzählt Nicole Peduzzi. Tatkräftige Unterstützung erhielt sie vom Kulturgüterschutz (KGS) des Kantons. Und so begannen die Umzugsarbeiten im November 2022 mit zwölf Spezialisten des KGS. «Diese zwei Wochen waren unglaublich intensiv. Meine Mitarbeiterin Miriam Kull und ich mussten immer hier sein, um die KGS-Teams in ihre Arbeitspakete einzuführen und sie zu koordinieren», erinnert sie sich an diesen Kick-off. Zuerst mussten diejenigen Archivalien, die inzwischen am Rheinsprung lagerten, wieder an die Spalenvorstadt zurück, damit das Archiv als Einheit gezügelt werden konnte. Dann wurden an je eigenen Stationen die verschiedenen Sammlungsobjekte ihren Erfordernissen und ihrer Materialität gemäss inventarisiert und verpackt. «Wir hatten bis zu 5 KGS-Teams, die im Archiv verteilt an ihren jeweiligen Aufgaben arbeiteten. Es war in jedem Raum viel los und wir konnten auf diese Weise sehr effizient vorankommen», erzählt Nicole Peduzzi weiter. «So einen Umzug erlebst du nur einmal im Leben».

Spezialisten des KGS bei der Arbeit
Spezialisten des KGS bei der Arbeit ©Nicole Peduzzi

An einer Station wurden die Aussenhüllen der Schallplatten mit einem Handstaubsauger gesäubert und fotografiert, an einer anderen unter Anleitung der Fotorestauratorin Glasplatten und historisches Fotozubehör verpackt.

In diesen zwei Wochen erhielt der Umzug für Nicole Peduzzi und ihr Team richtig Konturen: «Zehn Prozent war danach verpackt. So erst konnten wir abschätzen, was es braucht, um alle Objekte einzupacken.»

Der Umzug – eine grosse Chance

Während über einem Jahr hat das Archivteam den Umzug vorbereitet. Nicole Peduzzi und Miriam Kull bemühten sich, den Forscherinnen und Forschern weiterhin Zugang zum Archivmaterial zu gewährleisten. Gleichzeitig planten und organisierten sie zusammen mit dem Campus-Manager der Universität Stefan Keller und der Fotorestauratorin die Einrichtung am neuen Archivstandort. «Die Bedingungen jetzt an der Allschwilerstrasse sind wirklich ideal », schwärmt Nicole Peduzzi. «Alle EKWS-Archive sind über einen Lift von den Arbeitsplätzen gut erreichbar. Für die Fotosammlungen haben wir einen separaten, abschliessbaren Raum mit perfektem Mobiliar – und auch Platz für zukünftige Sammlungen!»

Das Spezialarchiv «Ernst Brunner» am neuen Ort
Das Spezialarchiv «Ernst Brunner» am neuen Ort ©Nicole Peduzzi
Das Gesellschaftsarchiv ist an der Allschwilerstrasse angekommen ©Nicole PeduzziDas Gesellschaftsarchiv ist an der Allschwilerstrasse angekommen
Das Gesellschaftsarchiv ist an der Allschwilerstrasse angekommen ©Nicole Peduzzi

Nicole Peduzzi freut sich auch über die hellen und geräumigen Arbeitsplätze, die den Forscher:innen an der Allschwilerstrasse zur Verfügung stehen.

Der ganze Aufwand hat sich gelohnt. Nicht zuletzt auch, weil die Archivleiterin durch den Umzug jede Archivalie mindestens einmal in der Hand hielt. Dazu sagt sie: «Dass das EKWS-Archiv sehr toll ist, wusste ich ja. Aber erst durch den Umzug habe ich die Bedeutung der Sammlungen in ihrer vollen Tragweite realisiert.»

Grossraumbüro
Grossraumbüro ©Nicole Peduzzi