Das Gartenhaus von Tsuyoshi Tane: Ballenberg-Inspirationen auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein
Franziska Schürch
Auf dem Vitra Campus im Deutschen Weil am Rhein, nur ein Katzensprung von Basel entfernt, steht seit einigen Monaten das Tane Garden House, ein Gartenhaus des in Paris lebenden japanischen Architekten Tsuyoshi Tane. Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit standen beim Bau im Zentrum: Das Tane Garden House sollte ein Symbol für die Zukunft des Bauens sein.
Den Bauten des Architekten Tsuyoshi Tane gehen immer intensive Recherchen über die Geschichte eines Bauareales und die ortstypischen Gegebenheiten voraus. Eine Methode, die Tane als «Archäologie der Zukunft» bezeichnet, und mit deren Hilfe er versucht, Erinnerungen und bestehendes Wissen als zukunftsweisende Kräfte zu nutzen. Er versucht damit den Brückenschlag von der Vergangenheit in die Gegenwart und weiter in die Zukunft.
Beim Bau des Hauses in Weil am Rhein beschäftigte sich Tane mit der Typologie des Gartenhauses und des Schopfs. Dabei wurden ihm die historischen Bauten im Freilichtmuseum Ballenberg zur Inspirationsquelle. Er nutzte für den Bau deshalb Reet, Stroh, Holz, Stein; Materialien, die in einem Umkreis von 50 Kilometern rund um Weil am Rhein «über Grund» wachsen. Diese konnten ohne grösseren technischen Aufwand für den Bau bereitgestellt werden. Die Bauarbeiten selbst führten lokale Handwerksbetriebe mithilfe von regionalen Produktionstechniken durch. Das Garden House wurde im Juni 2023 eingeweiht und wird von den Gärtner:innen des Oudolf-Gartens als Pausen- und Sitzungsraum genutzt.
Parallel zum Bauprojekt entstanden zwei Buchpublikationen, die sich mit dem Freilichtmuseum Ballenberg als Inspiration für gutes und nachhaltiges Design auseinandersetzen.
Das Buch «Tane Garden House» gibt Einblicke in den, mehrere Jahre dauernden, Gestaltungsprozess des Garden Houses in Weil am Rhein und zeigt beispielhaft Tanes Methode der «Archäologie der Zukunft».
Im zweiten Buch, dem Bildband «Eine Art zu leben: Ballenberg Notizen» nehmen uns vier renommierte Exponent:innen aus dem Bereich des modernen Designs und der Architektur auf einen Spaziergang durch das Schweizer Freilichtmuseum mit: Jasper Morrison, David Salk, Tsuyoshi Tane und Federica Zanco führen uns zu ihren je eigenen Design-Entdeckungen auf dem Ballenberg. In kurzen Bildbeschreibungen lassen sie die Leser:innen an ihrer Faszination für Holzkonstruktionen, Steindächer und funktionale Möbel teilhaben. Es geht ihnen dabei um Form und Funktion der historischen Bau- und Lebensweise, die den lokalen Ressourcen und den ökonomischen Möglichkeiten ihrer Bewohner:innen gerecht werden mussten.
Solch eine Betrachtungsweise des ländlichen Handwerks ist der Kulturwissenschaftlerin als Teil der eigenen Fachgeschichte vertraut und man begegnet ihr aus heutiger Perspektive auch mit Skepsis: Werden hier historisch gewachsene, sozioökonomische Strukturen romantisiert? Reflektiert der Betrachter dabei das Vergangene oder geht es vielmehr um eine Kritik an der Gegenwart?
Besonders wertvoll sind deshalb die Schlussbetrachtungen von Beatrice Tobler, bis 2022 wissenschaftliche Leiterin und stellvertretende Geschäftsführerin im Freilichtmuseum Ballenberg, heute Kuratorin für Geschichte und Ausstellungen am Historischen Museum Luzern. Sie ordnet die Möglichkeiten, mit denen man den Häusern auf dem Ballenberg begegnen kann, und bettet sie in die Geschichte des Freilichtmuseums ein: als Museum in den 1970er Jahren eröffnet, baute man in den ersten Jahren die historischen Gebäude auf ihren «Urspungszustand» zurück. Die Prozesshaftigkeit des Bauens und Wohnens, dem auch die «Ballenberger Häuser» unterworfen waren, bildet man erst in jüngster Zeit ab. In der Folge veränderte sich auch der Blick der Forschung auf die Häuser. Stand zunächst der Entstehungskontext eines Hauses im Vordergrund, wird diese nach wie vor wichtige Frage mit der Forschung über verschiedene Bauetappen, dem sich ändernden sozialen Kontext der Bewohnerinnen und Bewohnern oder möglichen Wirtschaftsformen, die ein Haus repräsentiert ergänzt.
Wer tiefer in die Geschichte der Häuser eintauchen will, kann dies mit Hilfe von über 80 Baudokumentationen machen. Erhältlich sind sie seit diesem Sommer gratis über den Webshop des Freilichtmuseums.
Beide Bücher wurden von der Frankfurter Buchmesse und dem Deutschen Architekturmuseum für den DAM Architectural Book Award 2024 berücksichtigt: Das Buch «Tane Garden House» wurde als eines der zehn besten Architekturbücher gewürdigt, «Eine Art zu leben – Ballenberg Notizen» kam auf die Shortlist.
Weiterführende Informationen:
Das Gartenhaus von Tsuyoshi Tane ist auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein
Rolf Fehlbaum (Hrsg.): Tane Garden House. Weil am Rhein 2023.
Rolf Fehlbaum (Hrsg.): Eine Art zu leben – Ballenberg Notizen, Zürich 2023.
Das Freilichtmuseum Ballenberg ist immer eine Reise wert. Auch wenn es, wie im Moment, im Winterschlaf ist.
Das Gartenhaus von Tsuyoshi Tane steht auf dem Vitra Campus in Weil am Rhein und kann zu den normalen Öffnungszeiten des Museums besucht werden.