
Was gibt es denn schon Gefährliches in Bibliotheken?
Das geheime Leben der Bibliothek!
Denise von Weymarn-Goldschmidt
Willkommen in meinem Reich. Hierher verirren sich nur die Mutigen. Ihr lacht? Ihr fragt euch, was es denn schon Gefährliches in den Untergeschossen der Alten Universität gibt? Habt ihr euch schon mal überlegt, wie viel Wucht ein dickes Buch entwickeln kann, wenn es runterfällt, euch im Nacken trifft oder – harmloser – nur schon auf den Fuss fällt? Und dann erst die Gedanken! Hier liegt Wissen über Hexerei und Zauberei. Und all die umstürzlerischen Ideen wie Frauenstimmrecht oder bedingungsloses Grundeinkommen. Ahnt ihr langsam, worauf ich hinaus will?
Vergesst nicht die Bibliotheksfauna! Natürlich gibt es einen Drachen (Draco bibliothecae) – mich – der diesen Schatz an Wissen verteidigt, und das bereits seit 129 Jahren. So lange gibt es diese Bibliothek nämlich schon. Ich empfehle euch dringendst, seid reinen Herzens, wenn ihr mir in die Augen schaut.

Misshandelt die Bücher nicht, andernfalls spucke ich Feuer. Übrigens, wer schon Erfahrungen mit Bibliotheksdrachen gesammelt hat, weiss, dass sich einige mit Schokolade besänftigen lassen (Tipp der Assistentin). Von Bücherwürmern habt ihr sicher schon gehört. Ich meine das Tier aus der Gattung der Ptinidae, nicht zu verwechseln mit den Leseratten. Aber seitdem die Buchdeckel nicht mehr aus Holz hergestellt werden, das Hochglanzpapier stinkt und die Regale aus Metall sind, habe ich keinen mehr gesehen. Doch ich erinnere mich noch an den letzten, den ich erwischt habe. Er hat so fein auf der Zunge gekitzelt...

Bücherskorpione (Chelifer cancroides); kennt ihr die? Sie gehören zur Familie der Pseudoskorpione und kommen auf der ganzen Welt vor. Kürzlich wollte mir einer mit seinen Scheren mächtig imponieren. Er verbiss sich dabei in meine Kralle. Der arme Kerl war nur 3 Millimeter gross. Es sollte sein letzter Kampf sein. Obwohl, eigentlich sind Bücherskorpione ganz nützliche Tierchen, machen sie doch Jagd auf Hausstaubmilben und Bücherläuse.

Bücherläuse (Gattung Liposcelis) werden auch Papierläuse genannt. Zum Glück benötigen sie eine relative Luftfeuchtigkeit von über 40 Prozent. Doch in so alten Gemäuern wie hier am Rheinsprung ist es im Sommer kaum möglich, die Luftfeuchtigkeit tief zu halten. Ich habe gehört, bei Museumssammlungen sollen Papierläuse schon beachtliche Schäden verursacht haben. Wirklich lästig sind allerdings die Silberfischchen (Lepisma saccharinum). Sie ernähren sich von der Stärke in Baumwolle und Leinen oder vom Klebstoff im Papier – also von den Dingen, aus denen gute Bücher gemacht sind. Noch gefrässiger ist das Papierfischchen (Ctenolepisma longicaudatum). Da fällt mir gerade wieder ein, dass ich ein paar Fallen aufstellen muss, um rechtzeitig zu merken, wenn wir ungebetene Gäste bekommen. Eigentlich müsste ich ja nur etwas Feuer spucken. Dann bekomme ich jedoch wieder Ärger mit meiner Assistentin, weil alles nach Schwefel stinkt und die Wände schwarz geworden sind.

Seid ihr bereit für diese Welt? Oder habt ihr jetzt Angst bekommen, Bücher in die Hände zu nehmen? Solltet ihr noch Fragen haben, schicke ich, Draco Bibliothecae, euch meine Assistentin an die EKWS-Tagung Berufseinstieg «Arbeiten in Sammlungen, Archiven, Bibliotheken» vom 11. April 2025. Keine Angst, sie wird nicht von Schädlingsbekämpfung berichten, sondern erzählen, wie sie zur Bibliothekarin wurde und worin ihre täglichen Aufgaben bestehen.
Seid gegrüsst vom Bibliotheksdrachen vom Rheinsprung.
